Spiel mit der Zukunft

Von Isabella Hager · · 2003/04

Wie wird die heutige Jugend gesehen? Zählt die Zukunft? Was tun wir dafür? Vielleicht nichts Spektakuläres, doch die Zukunft ist uns nicht egal, kann uns nicht egal sein. Sie wird unser Leben sein, meint die Schülerin Isabella Hager.

Die Null-Bock-Generation werden wir genannt. Reality Shows und Seifenopern sind unsere Welt, was können wir denn schon mit Politik und weltweiten Entwicklungen anfangen? Alles worüber wir nachdenken müssten, ist uns egal, interessiert uns nicht. Manchmal lesen wir Zeitungen, meistens die Horoskope, wenn es hoch kommt, die Klatschspalten. Unseren Tag verbringen wir damit, gezwungenermaßen die Schule abzusitzen, die uns ohnehin nicht interessiert, und danach folgen Stunden vor dem Computer.
Diese Vorurteile sind leider oft die Stichworte, mit denen die heutige Jugend charakterisiert wird. Ein Kern Wahrheit steckt in vielen dieser Bilder, aber viel davon ist der vermittelte oberflächliche Eindruck. Der Schein trügt, wir sehen nicht alle so aus.
Es stimmt wohl, dass viele Jugendliche mit Politik nichts mehr anfangen können. Meist lesen sie nicht einmal die Schlagzeilen, doch die Schuld dafür liegt nicht allein bei der Jugend. Jahrelang haben Jugendliche das Gefühl gehabt, etwas verändern zu können. Man denke an die 68er-Generation. Was ist aus den Jugendlichen geworden, aus den Blumenkindern, die für den Frieden gekämpft und gesungen haben? In den Augen vieler heutiger Jugendlicher haben sie versagt. Sie haben sich auch dem System gebeugt. Wenn es ihnen nicht gelungen ist, die Welt zu verändern, wie sollen wir es schaffen? Lohnt es sich zu kämpfen? Heutzutage stehen die Hippies und andere Rebellen für uns als Symbol für den Aufbruch da. Doch wohin sollen wir uns wenden? Was ist unser Ziel?

Wir sind realistischer. Vorbei sind die Zeiten der großen Ideale. Wir vergöttern keine Ideologien und haben auch kaum Parolen, mit denen wir durch die Straßen rennen.
Trotz allem stehen wir unserer Zukunft nicht gleichgültig gegenüber. Spätestens am 15. Februar d.J. hat man gesehen, dass viele junge Menschen für eine friedliche Welt ohne Krieg, Leiden und kapitalistische Ausbeutung bereit sind, auf die Straße zu gehen. Auf einmal kommen sie alle heraus. Punks und andere alternative Freaks. Wer hätte gedacht, dass es doch noch so viele junge Leute gibt, die eine eigene Meinung haben, sie zeigen und zu ihr stehen.
Wir sind die Menschen von heute und morgen. Die Welt gehört vielleicht schon bald uns. Bei uns liegt die Verantwortung, sie zu gestalten. Was können wir mit ihr anfangen? Was wollen wir aus ihr machen? Ein Kinderbuchparadies wird es wohl kaum.
Ein Blick in die Medien genügt und man stößt in einem fort auf Krieg, Ausbeutung und Elend. Sei dies die Kriegspolitik George W. Bushs, seien dies rechtsextreme Attentate oder eine Hungerkatastrophe in der Dritten Welt, immerzu werden wir mit „Bad News“ überschüttet. Jetzt fragt man sich vielleicht, wer wollte so eine Welt? Die Hippies aus der 68er-Flower-Power-Zeit dürften erwachsen geworden sein und sind jene Menschen, die heute das Sagen haben. Vergaßen sie ihre Ideale? Was wir uns wünschen: „Dass die heutige Jugend gescheiter ist als die von gestern“, sagt Lena, 19 Jahre alt.

Wir Jugendlichen haben verschiedene Ansichten und Ideale, aber wir sind, obwohl oder vielleicht gerade weil wir als Wohlstandskinder aufgewachsen sind, bereit, etwas für sie zu tun. Nein, die Mehrheit von uns gliedert sich nicht in politische Parteien ein. Jugendliche sind misstrauischer geworden und vor allem sind sie individueller.
Es gibt keine einheitliche Jugendbewegung mehr. Einige mag es in politische Jugendgruppen (Schülerorganisationen und Jugendparteien) ziehen, andere kämpfen für Menschenrechte, setzen sich für Tier- und Umweltschutz ein, doch der Großteil der Jugendlichen geht seinen eigenen Weg und versucht, die Welt auf pragmatische Art und Weise zu ändern.
Der wahre Kern des Vorwurfs an die Jugend, sie sei so uninteressiert am aktuellen Geschehen, ist verständlich. Es gibt viele Jugendliche, die sich nicht mehr damit beschäftigen wollen, denn warum auch? Die Zukunft vieler junger Menschen in Europa und in Österreich sieht nicht rosig aus. Studiengebühren, fehlende Lehrstellen und Arbeitsplätze betreffen uns direkter als Regenwälder und Tiertransporte. Wir sind Produkte dieser Gesellschaft und haben eines verstanden: Zuerst denken wir an uns, dann an die anderen. Unsere konkrete Zukunftsplanung ist wichtig. Denn wir haben aus Vergangenem und Alltäglichem gelernt.
Große Worte sind etwas für PolitikerInnen, ändern aber nicht die Welt. Natürlich wäre es schön, für einen Tag Politiker zu sein, um alles Unangenehme und Schlechte einfach abzuschaffen. Viele PolitikerInnen sind für uns aber nicht Vorbilder der Nation, sondern abschreckende Beispiele. Auch etwas anderes ist uns klar geworden. Wichtig sind nicht die PolitikerInnen, sondern die Menschen dahinter. Wichtig ist nicht die Verpackung, sondern der Inhalt.

Zukunft ist für uns nichts Abstraktes mehr. Zukunft, das ist der morgige Tag, die kommende Woche, das folgende Jahr. Wir leben nicht für Utopien, denn wir wissen mittlerweile, dass es wahrscheinlich keine ideale Welt gibt. „Wir haben die schlechteste Welt, die es gibt. Bisher hat nur keiner eine bessere gefunden“, meint René, Schüler, 17 Jahre alt. Ziel ist es, das Bestmögliche daraus zu machen, die Fehler zu kitten, die unsere Eltern begangen haben, ohne zu vergessen, dass auch wir nicht perfekt sind.
Es gibt viel Kritik an der heutigen Welt. Zunächst einmal, dass Erwachsene mit der Zukunft spielen. Ihre Meinung je nach Windrichtung ändern. Von einem Krieg reden, wie wir von einem Computer-Spiel reden. Und von Menschenverlusten reden, als würden ein paar tausend Opfer nur eine nebensächliche Rolle spielen für ihre Ziele, ihre Ideale, für eine bessere Welt.
Wir wünschen uns eine Zukunft, in der die Welt von Menschen regiert wird, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und ziehen ein längeres Schweigen zu schnell ausgesprochenen Worten vor. Eine längere vermeintliche Inaktivität kann besser sein als überhastetes Handeln.

Isabella Hager besucht die Rudolf Steiner Schule in Wien-Mauer und ist Mitarbeiterin der Schüler-Redaktion der Tageszeitung „Der Standard“.

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